Apple Music ist da und ist auf den ersten Blick reichlich unübersichtlich. Das sehen auch die üblichen Verdächtigen so. David Pogue schreibt bei Yahoo “Apple Music is hot – and messy“, Altmeister Walt Mossberg von re/code urteilt: “Apple Music First Look: Rich, Robust – But Confusing.” Bei meinem ersten Start fehlten noch Radio und Connect. Einfach die App schließen und neu starten, dann erscheinen in der unteren Menüleiste die beiden neuen Rubriken zwischen Für Dich, Neu und Meine Musik. Doch die bunte Vielfalt auf dem Bildschirm hat nichts mehr von der Apple-typischen Übersichtlichkeit.
Aber bevor in dem App-Icon aus den weißen Noten vor rotem Hintergrund bunte Noten auf weißem Grund werden, muss man iOS auf dem iPhone oder iPad auf Version 8.4 aktualisieren. Auf dem Desktop benötigt man iTunes 12.2. und wer eine Apple TV-Box besitzt, findet das Angebot in der Rubrik Musik. Um Apple Musik komplett nutzen zu können, muss man ein Abo abschließen. In den ersten drei Monaten ist das kostenlos. Danach berechnet Apple für ein Einzelabo 9,99 Euro und das Familienabo für bis zu 6 Personen kostet 14,99 Euro pro Monat.
Erschlagen von Optionen
Beim ersten Start der App erhält man den Hinweis, dass die Hörbücher nun in der App iBooks zu finden sind. Das passt schon. Im nächsten Schritt muss man der App verraten, welche Musik-Genres und Künstler man mag. Daraus erstellt Apple Musik-Empfehlungen in der Rubrik Für dich. (Müsste es nicht Für Dich geschrieben werden?)
Mit Apple Music erhält man Zugriff auf eine Bibliothek, die 43 Millionen Songs umfasst. Entsprechend vielfältig sind die Vorschläge in den persönlichen Playlisten (die heißen nicht mehr Wiedergabelisten). In meinem Fall haut das geschmackstechnisch schon gut hin, was mir da vorgeschlagen wird. Die Playlisten kann man in zufälliger oder vorgeschlagener Reihenfolge wiedergeben. Dann muss man sich mit den diversen Icons vertraut machen: Haken: Mag ich, wird zur Rubrik Meine Musik hinzugefügt; Herz: Gefällt mir, weiß der Algorithmus, dass ich gern mehr davon möchte; Weiterleiten-Pfeil: eben weiterleiten und hinter den drei Punkten verbergen sich diverse Optionen. Tippt man die drei Punkte hinter einem Song-Titel, erscheinen gleich acht Optionen. Das reicht von Auf “Nächste Titel”-Liste über Zu einer Playliste hinzufügen bis zu Offline bereitstellen.
Apple Music auch ohne Datenverbindung nutzen
Offline ist ein wichtiges Stichwort. Musik-Streaming benötigt jede Mengen Daten, das Inklusivvolumen im Mobilfunknetz schmilzt dahin wie Eis in der Sommersonne. Nur mal um ein Gefühl zu geben: Ein Lied bei einer Qualität von 256 Kbit/Sekunde benötigt mindestens 1,5 Megabyte pro Minute. Hört man täglich eine Stunde Musik, benötigt man ein monatliches Datenvolumen von 2,7 GB – allein für Apple Music. Wer Lieder oder komplette Playlisten unterwegs hören möchte, sollte zuvor mit einer WLAN-Verbindung auf die Option Offline bereitstellen tippen. Damit landen die Lieder und Alben unter Meine Musik, wo man auch seine bisherige Musik-Mediathek findet. Wer ganz sicher gehen möchte, dass sein Datenvolumen unterwegs geschont wird, deaktiviert die mobile Daten-Nutzung für die Musik-App unter Einstellungen / Mobiles Netz. Wer hauptsächlich zuhause Musik hört, wird Apple Music auch auf seinem kabellosen Multi-Room-System hören wollen. Sonos hat bereits angekündigt, den Streaming-Dienst im Laufe des Jahres in seine App zu integrieren. Verwendet man mehrere Geräte, also iPhone, iPad, Laptop und Apple TV-Box, dann mag es sinvoll sein, die eigene Mediathek (Meine Musik) über die iCloud abzugleichen. Somit hat man auf allen Geräten die gleichen Titel und Playlisten (Einstellungen / Musik / iCloud-Musikmediathek).
Künstler-Facebook und Radio
Die wesentliche Neuerung bei Apple Music ist Connect, das Künstler-Facebook. Hier kann man seinem Star ganz nah sein, naja, der Eindruck wird zumindest erweckt. Musiker posten Fotos, Videos und Texte aus ihrem Leben auf der Bühne, im Bus, im Studio oder mit ihrer Katze (Jason Mraz). Man kann einzelnen Künstlern folgen und deren Einträge kommentieren.
Zweite Neuerung ist das Web-Radio. Bei Beats 1, Teil des übernommenen Kopfhörerherstellers Beats, ist ein 24/7 Live-Radio mit der Besonderheit, dass hier keine computer-generierten Playlisten abgespielt werden, sondern echte DJs in Studios in New York, L.A. und London sitzen. Wer sich gegen das kostenpflichtige Abo entscheidet, kann mit seiner Apple-ID immer noch dem Programm von Beats 1 lauschen und Künstlern bei Connect folgen.
Musik für die Dusche
Bleibt noch die Rubrik Neu, in der Vorschläge für Neuerscheinungen, die Charts und Entdeckungen bei Connect geführt sind. Letzteres können auch Künstler sein, die man noch nicht rauf und runter im Radio gehört hat. Praktisch finde ich auch die Playlisten der Musik-Editoren und Kuratoren. Hier stellen Menschen, nicht Maschinen, Playlisten nach Genres oder Aktivitäten zusammen. Da gibt es beispielsweise die passende Liste für das morgendliche Duschen: Shower Dance.
Mit Apple Musik verschwimmen die Grenzen zwischen Meins und Deins. Unter Meine Musik wird alles eins. Taucht in den Playlisten ein Lied auf, das man bereits erworben hat und das sich im iPhone-Speicher befindet, wird das durch ein winziges iPhone-Symbol angezeigt. Hat man sich erst mal an die Vielfalt und die Möglichkeiten gewöhnt, dürfte es schwer werden das Abo zu kündigen.