Analyst Gene Munster von Piper Jaffray hat bereits ein Preisschild an den Deal gehängt: Für unter 500 Millionen Dollar dürfte Apple die Übernahme von Tidal realisieren können. Ein Klacks verglichen mit den drei Milliarden Dollar für Beats. Die hatten neben der Kopfhörersparte auch noch einen Musik-Streaming-Dienst, der heute Teil von Apple Music ist.
Doch auch der Kauf von Tidal würde Apple im Wettbewerb um die meisten Nutzer nur bedingt helfen (15 + 3 Millionen). Spotify liegt mit 30 Millionen zahlenden Abonnenten weit vorn. Als ich mir den Streit zwischen Apple und Spotify näher angeschaut habe, fiel mir auf, dass ich außer Amazon Prime keinen Musik-Dienst abonniert habe. Geht halt auch ohne …
Das Dilemma der Musik-Streaming-Anbieter
Doch aus Neugier habe ich mir die Anbieter einmal näher angesehen und mich am Wochenende für Aldi Life entschieden. Während der klassische Premium-Preis bei 10 Euro pro Monat liegt, kostet dieses Musik-Angebot nur acht Euro (7,99 pro Monat, die ersten 30 Tage kostenlos). Die Inhalte stammen von Napster. Abstriche sind bei dem günstigeren Angebot erstmal nicht erkennbar. Der Nutzer wählt aus 40 Millionen Songs und tausenden Hörbüchern. Die Inhalte werde mit bis zu 320 kbps gestreamt und lassen sich auch offline wiedergeben. Das Angebot kommt mit einer eigenen App und ist – was mir wichtig war – auch über die Sonos-Lautsprecher abspielbar. Musik, die man der Rubrik “Auto” hinzufügt, wird automatisch heruntergeladen. Die Rubrik hat ein übersichtliches Layout, so dass man beim Autofahren schnell seine Wahl treffen kann.
Aber genau hier zeigt sich das Dilemma der Musik-Dienste. Welchen soll ich nehmen? Funktionen und Titel-Katalog sind austauschbar. Letztendlich entscheidet der Preis. Außer: Man bietet exklusive Inhalte, sozusagen das “House of Cards” der Musik. Genau das könnte der Grund für Apples Interesse an Tidal sein. Während TV-Streaming-Dienste sich mit exklusiven Inhalten vom Wettbewerb differenzieren können, ist das für Musik-Anbieter schwieriger. So arbeitet Dr. Dre angeblich an der ersten Apple-exklusiven TV-Serie für deren kommendes TV-Streaming-Angebot. Der Rapper ist aus der Beats-Übernahme zu Apple gestoßen. Auch Musikproduzent Jimmy Iovine kam so zu Apple. Er verfügt über beste Verbindungen innerhalb der Musikbranche.
Tidal – das Netzwerk der Künstler
Wenn man sich anschaut, wer Tidal gegründet hat bzw. daran beteiligt ist, wird deutlich woran Apple interessiert ist: Kontakte in der Musikindustrie. Nur so kann man exklusive Inhalte produzieren. Bei der Pressekonferenz zum Start von Tidal im März 2015 versammelte Jay Z. auf der Bühne die Anteilseigner. Darunter sind: Arcade Fire, Alicia Keys, Beyoncé, Chris Martin (per Video), Calvin Harris (per Video), Daft Punk, deadmau5, Jack White, Jason Aldean, J. Cole, Kanye West, Madonna, Nicki Minaj, Rihanna und Usher. Diverse Alben gab es zunächst oder komplett exklusiv bei Tidal, wie beispielsweise Prince “HitnRun”.
Genau daran dürfte Apple interessiert sein, denn die Kontakte des schwedischen Anbieters Spotify zu den großen des Musikgeschäfts sind deutlich schwächer. Doch voller Begeisterung begibt sich Tidal bestimmt nicht in die Arme von Apple. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Künstler rund um Jay Z. Tidal gegründet haben, um sich von den “Großen” unabhängiger zu machen. Da die Musik-Verlage beim digitalen Vertrieb kaum eine Rolle spielen, sind mit “den Großen” vor allem Apple und Spotify gemeint. Mit einer Übernahme wären die Musiker genau da angekommen, wo sie nicht hin wollten.