Im Warmen kann ja jeder. Teslas Model S wird zwar im sonnigen Kalifornien konstruiert und gefertigt, doch das Elektroauto macht sich auch im tiefen Winter ganz hervorragend. Ich durfte das Model S in der Variante P90D in den österreichischen Bergen auf 1.700 Meter über dem Meer und minus neun Grad Celsius über ein Testgelände mit Schnee und Eis schleudern. Wobei: Ich wäre gern geschleudert, doch der Allradantrieb und die diversen Assistenzsysteme hielten mich erstaunlich gut in der Spur (siehe Video).
Das P in der Typenbezeichnung steht für das Performance-Paket. Damit beschleunigt die Limousine in drei Sekunden von Null auf 100 km/h. Gut, das konnte ich in den Bergen nicht ausprobieren. Aus dem berühmten Beschleunigungsmodus “Wahnsinn“ ist hierbei ein “Von Sinnen” (Ludicrous) geworden. Die 90 steht für die Batteriekapazität in Kilowattstunden (kWh). Laut Hersteller schafft man mit einer Batterieladung im Idealfall bis zu 520 Kilometer. Seit Auslieferungsbeginn 2013 hat Tesla die Batteriekapazität im Model S bei gleichbleibendem Volumen von 70 auf 90 kWh gesteigert. Für den Testtag im Schnee war eine Batterieladung mehr als ausreichend. Neben diversen Beschleunigungs- und Slalomrunden auf dem Testgelände, musste niemand auf Sitz- und Scheibenheizung, Lüftung oder Radio verzichten. Auch die häufigen Fahrerwechsel und damit einhergehend das Ändern des Fahrerprofils (Spiegeleinstellungen und Sitzposition) zerrten an der Batterie.
Doch im Mittelpunkt des Winter-Tests steht der Allradantrieb des Elektroautos. Das D in der Typenbezeichnung bedeutet Dual – und beschreibt die beiden Motoren an der Front- und Heckachse. Der klassische Allradantrieb (AWD, 4WD) nutzt eine mechanische Kraftübertragung auf die zweite Achse. Ein Differenzial oder eine Kupplung regelt die Übertragung vom Motor auf die gegenüberliegende Achse. Beim Model S arbeiten die zwei Motoren getrennt, ohne mechanische Verbindung. Der Computer erfasst 500 Mal pro Millisekunde die Daten der Räder und entscheidet dann über die Kraftverteilung. So wird je nach Grip (Haftung) die Kraft unterschiedlich auf die vier Räder verteilt. Das führt dazu, dass der Wagen auf Schnee und Eis zügig beschleunigt ohne durchzudrehen. Auch beim Slalom weicht das Model S den Hindernissen sicher aus ohne großartig zu rutschen. Auf Eisflächen gerät das zwei Tonnen schwere Fahrzeug natürlich ins Rutschen, doch wenn die Räder keine Haftung haben, kann der Fahrer nicht weiter beschleunigen. Erst wenn wieder Traktion vorhanden ist, treibt der Motor die Räder an.
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Die CES im Zeichen des Elektroautos
Halb so wild, Kumpel
Volkswagen, in den USA dank seines Abgasskandals arg gebeutelt, zeigte sein Konzept-Auto BUDD-e (Wortspiel: engl. Buddy – Kumpel). Die moderne Interpretation des ersten VW-Bulli beschreibt Markenvorstand Dr. Herbert Diess als „realistischen Trendsetter“. Das Konzept basiert auf dem modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) von Volkswagen. Der BUDD-e hat Allradantrieb und eine Leistung von 235 kW/317 PS. Mit dem neu entwickelten Elektroantrieb seien Reichweiten bis zu 533 Kilometer möglich. Ein wesentlicher Punkt des BUDD-e-Konzepts: autonomes Fahren. „Es wird uns alltäglich begleiten und die Mobilität komplett verändern“, ist Diess überzeugt. Ob BUDD-e in der präsentierten Form auf die Straße kommt, ist ungewiss. Doch ein ähnliches Elektroauto auf Basis des MEB wird laut VW-Entwicklungschef Dr. Volkmar Tanneberger bis 2020 serienreif sein.
Faraday – Physik-Namen gibt es noch reichlich
Die meiste Aufmerksamkeit bei der CES erhielt Faraday Future. Ja, ein weiterer Autohersteller mit Physiker-Namen in der Firmierung. Faraday Future hat seinen Sitz ebenfalls im sonnigen Kalifornien und das Geld kommt aus China. Hauptinvestor ist Jia Yueting, CEO von Leshi Internet Information & Technology in Peking. Angeblich arbeiten bereits 500 Autoexperten an dem neuen Elektroauto. Nördlich von Las Vegas soll für eine Milliarde Dollar ein Fertigungswerk in der Wüste entstehen. Auf der CES zeigte Faraday einen Prototypen, den FF Zero 1, allerdings nur auf der Bühne. Gefahren wurde nicht. Der elektrische Flitzer ist bislang nur in einem Werbevideo auf der Straße zu sehen. Das Konzept-Auto soll als Basis für spätere Serienversionen dienen. Wann das genau sein wird, ist noch unbekannt.
Allein auf weiter Straße: Tesla
Audi will mit dem Q6 e-Tron einen Elekto-SUV auf die Straße bringen, der mit einer Batterieladung bis zu 500 Kilometer schafft. Geplanter Verkaufstermin: ab 2018. Ab 2019 soll gerüchtweise das Apple-Elektroauto von Band rollen, auch wenn kürzlich Entwicklungschef Steve Zadesky von Bord ging. Was fällt auf? Viele Pläne, viele Ankündigungen, etliche neue Player. Doch tatsächlich auf der Straße hat nur Tesla Elektroautos mit Reichweiten jenseits der 400 km-Marke.
Das Model 3 von Tesla (300 km Reichweite, Preis: um 32.000 Euro) dürfte erst 2017 ausgeliefert werden. Auch beim Model X geht es nur langsam voran. Von 507 produzierten Fahrzeugen wurden 2015 nur 208 an die Besitzer ausgeliefert. Grund dürften die Flügeltüren sein. Die Falcon-Wings sind in der Produktion eine Herausforderung. Tesla hat kürzlich den Zulieferer gewechselt und den ersten Zulieferer Hoerbiger verklagt. Die hydraulischen Türen verloren Öl und wurden extrem heiß. Startschwierigkeiten, ein gedrückter Aktienkurs, doch Tesla Motors bleibt der einzige Autohersteller mit serienreifen Elektroautos und einem eigenen Ladenetz. Verzögerungen haben bei Tesla Tradition – das ist seit dem Roadster so. Für die Wartezeit empfehle ich die Elon Musk-Biografie. Und der unvermeidliche Satz: Die Wettbewerber müssen sich warm anziehen. Das steht nach meinem Wintertest fest.