Paper von Facebook ist keine Ergänzung, sondern ein Ersatz für die bisherige App. Schließlich ist die Timeline des sozialen Netzwerks kaputt. Immer öfter verpasse ich Nachrichten von Freunden, die mich wirklich interessieren und bekomme uninteressante Meldungen an unterschiedlichen Tagen mehrfach angezeigt. Von der vermeintlichen Personalisierung der Werbung will ich gar nicht reden.
Zehn Jahre nach seiner Gründung, droht Facebook am eigenen Erfolg zu ersticken. In Deutschland nutzen täglich 19 Millionen Menschen das Netzwerk. Zu viele Freunde posten zu vielen Nachrichten. Im Durchschnitt hat jeder 342 Freunde. Wenn jeder von denen drei Meldungen pro Tag schreibt und man acht Stunden am Tag wach ist, sind das 2,1 neue Meldungen pro Minute. Das schafft niemand. Darum errechnet ein Algorithmus, was mir angezeigt wird. Für mich ist die Formel schon länger defekt. Ob das die neue App Paper behebt, kann ich noch nicht sagen, aber sie präsentiert Texte, Fotos, Videos und Links in sehr ansprechender Weise. Der Name macht bereits deutlich, hier soll das Lesen einer Zeitung auf das Smartphone übertragen werden. Wie eine Tageszeitung faltet man Nachrichten per Fingerwisch auf oder zu. Natürlich erinnert das schwer an Flipboard.
Die Paper Rubriken
Neben den Meldungen von Freunden, wählt man in Paper Schlagzeilen aus klassischen Medien aus. Die sind in Rubriken wie Technik, Planet, Schlagzeilen und Flavor (Essen) unterteilt. Ganz liberal für ein US-Unternehmen gibt es auch die Rubrik Equalize – “News for woman and men creating a level playing field”, wie es in der Beschreibung heißt. In einem Werbevideo zu Paper taucht sogar ein schwules Paar auf, das wird konservativen US-Amerikanern gar nicht gefallen.
Die Nachrichten aus diesen Rubriken erhält man, auch ohne “Freund” der Seite zu werden. Von links nach rechts wischt man durch die Rubriken, von unten und oben öffnet bzw. schließt man die einzelnen Beiträge. Aufmacherfotos im Querformat betrachtet man, indem man das iPhone in der Hand von links nach rechts wiegt. Damit entfällt die Drehung ins Querformat (Landscape). Möchte man interessante Artikel erst später lesen, kann der Betrachter den Link wahlweise via Pocket, Instapaper, Pinboard oder die Safari Leseliste speichern.
Neben der Lektüre von Nachrichten bietet Paper alle bekannten Facebook-Funktionen. Man hat Zugriff auf den Messenger, Vorschläge für neue Freunde sowie Benachrichtigungen. Man kann in Paper Statusmeldungen schreiben und dazu Orte, Fotos, Videos und Links hinzufügen. Somit bleibt die bisherige Facebook-App auf dem iPhone geschlossen.
Streit um den Namen
Bei der Namensgebung fährt Facebook einen merkwürdigen Konfrontationskurs. Es existiert bereits eine gleichnamige App für das iPad. Paper by FiftyThree ist eine Zeichen-App und wurde 2012 von Apple zur iPad-App des Jahres gekührt. “[Facebook’s] reaction was that they apologized for not letting us know sooner. I asked them to change the name, but they didn’t want to do that“, beschreibt 53-Chef Georg Petschnigg gegenüber Mashable seine Erfahrung im Kontakt mit dem börsennotierten Konzern.
Paper für das iPhone gibt es bislang nur im US-App-Store.