Hier geht´s zu Teil 1 des Fahrberichts von Tesla S.
Der Verzicht auf einen Verbrennungsmotor ist nicht nur deutlich leiser, sondern sorgt auch für viel Platz im Tesla Model S. Der Elektromotor zwischen den Hinterrädern hat gerade mal eine Diagonale von 35 Zentimetern. Unter dem Auto sind weder Auspuffanlage noch Katalysator. Somit verbirgt sich im Kofferraum eine ausklappbare Sitzbank für Kinder. Hier sitzen zwei “Kurze” bis maximal 36 Kilogramm mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Somit passen fünf Erwachsene und zwei Kinder in die Limousine. Unter der Fronthaube sind dann noch 150 Liter Stauraum für Gepäck. Doch in diesem Fall wird es mit der zulässigen Zuladung eng – die liegt bei 433 kg. Zwei Kinder à 36 kg und fünf Erwachsene à 72,2 kg dann ist die Grenze bereits ohne Gepäck erreicht. Meine Tochter hält es an diesem Wochenende auch nicht lange im Kofferraum aus, die Fliegergurte sind ihr zu unbequem und die warme Luft der Heizung schafft es nicht bis zu ihr. Sitzen die Kinder auf der normalen Rückbank, sind im Kofferraum 744 Liter Stauraum. Für sperrigen Gegenstände lässt sich die Rückbank geteilt umlegen.
Alle, aber wirklich alle Mitfahrer an diesem Wochenende nicken respektvoll beim Blick über das Wageninnere. Einige zeigen ihre Begeisterung offen, andere lächeln zufrieden. Womit ich jedoch wahre Begeisterungsstürme ernten kann, ist die Beschleunigung, die ist nicht von dieser Welt. So muss sich Captain Kirk beim Umschalten auf Warp-Antrieb fühlen. 600 Newtonmeter Drehmoment stehen sofort zur Verfügung. In 4,4 Sekunden ist der Tesla S aus dem Stand auf 100 km/h. Rechnet man die Motorleistung um, sind das bei diesem Modell 416 PS. Meiner Tochter und meiner Frau sind diese Werte herzlich egal, sie interessieren sich sowieso nicht allzu sehr für Autos. Doch als ich das erste Mal “Gas” gebe und die beiden in ihre Sitze gedrückt werden, höre ich ein lautes Juchzen. “Nochmal”, kommt von der Rückbank, als ich langsamer werde. Doch in der Stadt sind die Möglichkeiten begrenzt und ich will zuerst die Ladestation von Vattenfall in der Hamburger Hafencity ausprobieren.
Aufladen in der Hafencity
Würde ich den Tesla S mit einem Schuko-Stecker an die Haushaltssteckdose anschließen, würde der Ladevorgang die ganze Nacht dauern. Pro Ladestunde sind 14 Kilometer Reichweite drin. Schneller geht das an einer der bundesweit 2.000 öffentlich zugänglichen Ladesäulen. Mit dieser Zahl liegt Deutschland in Sachen elektrischer Mobilität europaweit in Führung. Laut EU-Kommission sollen bis 2020 insgesamt 150.000 Ladesäulen zur Verfügung stehen. Da machen die Betreiber, die regionalen Stadtwerke sowie Energieriesen wie RWE und Vattenfall, nur mit, wenn entspricht ausreichend Elektroautos über die Straßen rollen.
Während RWE bereits auf eine iPhone-App zum Finden und Abrechnen setzt, nutzt Vattenfall für seinen Säulen in Berlin und Hamburg eine Ladekarte mit RFID-Chip. Beide Energieversorger werben damit, dass aus den Ladesäulen 100 Prozent Ökostrom fließt, der Fahrer somit komplett CO2-frei unterwegs ist. Das Ziel verfolgt auch Tesla-CEO Elon Musk, er ist Anteilseigner von Solar City, dem größten Solar Panel Provider in den USA. Wer mit Solarzellen auf dem Garagendach seinen Wagen lädt, schon die Umwelt. Im Test stellte mit Vattenfall eine Ladekarte zur Verfügung. Eine Kilowattstunde kostet hier 26,70 Cent. In den vier Tagen bin ich 451 Kilometer gefahren und habe dafür 121,5 Kilowattstunden Energie verbraucht. Das macht 27 Kilowattstunden auf 100 Kilometer, multipliziert mit dem Strompreis ergibt das 7,21 Euro. Eine vergleichbare Limousine dürfte acht Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen, macht bei einem Literpreis von 1,50 Euro also 12,00 Euro.
Vattenfall betreibt in der Hamburger Hafencity eine Ladestation mit Schnelllader (nicht kompatibel mit dem Tesla S) sowie eine Lädesäule mit 16 und 32 Ampere für Stecker des Typs 2. Der sauerländische Hersteller Mennekes hat mit seinen Starkstromsteckern hier einen Defacto-Standard etabliert. Beim 16 Ampere-Anschluss gewinnt der Tesla S pro Ladestunde 55 Kilometer Reichweite hinzu. Hätte er zwei innere Ladeeinheiten, könnten es mit 32A sogar 110 Kilometer sein. Noch schneller geht es nur mit den Tesla-eigenen Schnellladestationen (Super Charger). Sie umgehen die Ladeeinheit und pumpen Gleichstrom mit 135 kW (120 kW in den USA) in die Batterien. In 20 Minuten sind die Zellen halb voll, in einer halben Stunde zu 80 Prozent geladen. Da diese Technik eine starke Belastung für die Batterie ist, sollten sie nicht vollständig geladen werden.
Das Aufladen an Teslas Stationen ist kostenlos, auch für Fahrer anderer Hersteller. Hauptsache deren Batterie kommt mit den 135 kW-Ladesäulen klar. In Deutschlands Westen und Süden existieren bereits vier Schnellladestationen von Tesla auf Autohöfen. Den Strom liefert die Deutsche Bahn. Zu Beginn werden die Autorouten von München über Stuttgart, Frankfurt, Köln bis in die Niederlande sowie von München nach Zürich ausgebaut. In den Niederlanden existieren bereits zwei, in Norwegen sechs Tesla Super Charger. Im Interview berichtet Elon Musk von seinem Ziel, bis Ende 2014 ganz Deutschland abzudecken. Bei einem Abstand von durchschnittlich 200 Kilometern rechnet der Tesla-Boss mit insgesamt 40 bis 50 Ladestationen im Land. Mittelfristig soll ganz Nordwest-Europa erschlossen werden. Es ist die größte Investition für das Unternehmen außerhalb seines Heimatmarktes. In den USA betreibt Tesla 41 eigene Ladestationen und will bis Ende 2014 rund 80 Prozent der US-Bevölkerung sowie Teile Kanadas mit Stromzapfsäulen versorgen.
Für Deutschland bietet Tesla den Auto-Besitzern ein spezielles, kostenloses Tuning ab. Wer auf der Autobahn gern und ausgiebig mit hohem Tempo unterwegs ist, kann seinen Tesla S darauf einstellen lassen. Ob dann mehr als 210 km/h drin sind, ließ Musk offen. Nur eins ist klar: Man muss schneller wieder an die Ladesäule. Dann ist es gut zu wissen, dass alle 200 km ein Super Charger steht. In einem kommenden Software-Update wird die Routenberechnung neben gefahrenem Tempo auch Höhenunterschiede auf der Strecke und aktuelle Windgeschwindigkeiten in die Berechnung einbeziehen. Dann sagt die Wegführung dem Fahrer, ob er mit seiner Batterieladung noch ans Ziel kommt oder zeigt den Weg für einen “Tankstopp” an. Entfernt man sich beim Laden vom Fahrzeug, beispielsweise in ein Restaurant, zeigt eine iPhone-App dem Fahrer den aktuellen Ladezustand. In meinem Praxistest konnte ich die App leider nicht einsetzen, weil sie Eigentümern vorbehalten ist. Zusätzlich kann der Fahrer vor im Sommer die Klimaanlage und im Winter die Heizung per App einschalten.
Batterie als Schlüssel zum Erfolg
Das kostet natürlich alles Energie, aber selbst als ich alle fünf Sitzheizungen aktiviert hatte, sackte die Energiekurve nicht sichtbar ab. Tesla bekommt das Energiemanagement gut hin. Probleme bereitet lediglich noch der Vampire Drain, wenn man den Berichten im Tesla glauben darf. Der Wagen verliert auch Energie, wenn er nicht gefahren wird. Da die Systeme immer startbereit sind, fährt die Technik nie komplett runter. Diesen Energieverlust nennen die Tesla-Fahrer Vampire-Entladung, weil es hauptsächlich nachts geschieht. Zwischen 1 und 1,5 Prozent der Kilometerleistung geht durchschnittlich in einer Nacht verloren. Tesla bemüht sich, diese Quote mit jedem Update weiter zu reduzieren, doch in Einzelfällen kann der Vampire Drain auch höher ausfallen.
Wer den Wagen also während seiner Urlaubsreise ohne Steckdosenverbindung in der Garage stehen lässt, findet bei der Rückkehr ein leeres oder defektes Auto vor. Nichts ist schlimmer als eine komplett entladene Batterie, das kann zu dauerhaften Schäden führen. Die Batterie ist der Schlüssel zum Erfolg. Ihre Leistungsfähigkeit – vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg – wird über den Erfolg der Elektroautos entscheiden. In der Herstellung sind die Lithium-Ionen-Zellen, wie sie auch für Laptops genutzt werden, längst zum Engpass geworden. Tesla verkündete kürzlich stolz eine Kooperation mit Panasonic. Zwei Millionen Zellen wird Tesla in den kommenden vier Jahren für die Serien S und X von Panasonic abnehmen. In den USA machten drei Wagenbrände Schlagzeilen. Dabei hatten die Batterie-Zellen im Tesla S Feuer gefangen. Was hängen blieb: Elektroautos sind gefährlich. In zwei Fällen durchschlugen auf dem Highway liegende Metallteile den Unterboden. In beiden Fällen konnten die Fahrer rechts ran bzw. vom Highway fahren, den Wagen parken und aussteigen. Niemand wurde verletzt und die Flammen drangen nicht in den Fahrgastraum ein. Im dritten Fall verlor der Fahrer in einem Kreisverkehr die Kontrolle über sein Fahrzeug, durchbricht eine Mauer und kracht in einen Baum. In allen drei Fällen hätte auch ein Benzin-Auto in Flammen aufgehen können. So sieht es auch das deutsche Kraftfahrtbundesamt, das sich die Akten der Vorfälle angeschaut hat, aber nach Produktsicherheitsgesetzt keine herstellerseitigen Mängel feststellen konnte. Einen Fahrzeugrückruf gibt es weder in den USA noch in Deutschland.Im Interview gibt sich Elon Musk betont optimistisch. Die Unfälle hätten Tesla sogar geholfen zu belegen, wie sicher Elektroautos seien. Rein statistisch kommen Autobrände mit Benzin-Moto fünf Mal häufiger vor als mit Elektromotoren (berechnet auf gefahrenen Kilometer in den USA). Beim Sicherheitstest der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) erhielt der Tesla S kurz zuvor mit fünf Sternen die Bestnote im Sicherheitstest. Unter anderem weil der komplette Frontbereich bei einem Crash als Knautschzone dient und kein Motorblock in die Fahrgastzelle eindringt.
Fazit
Nach vier Tagen in dem Elektroauto bin ich restlos begeistert. Genau mit so einem Wagen kann man Leute für die neue Antriebstechnik begeistern: leises Dahingleiten und schwungvolles Beschleunigen. Wie fasst es mein fast 70-jähriger Nachbar so treffend zusammen: “Elektroautos dürfen auch Spaß machen.” Hier liefert ein US-Unternehmen den Beweis, dass man bei E-Autos auf nichts verzichten muss.
Der einzige Kritikpunkt betrifft ein Ausstattungsdetail: Die beiden Spiegel in den Sonnenblenden sind nicht beleuchtet. Das braucht man in Kalifornien vielleicht nicht. Schlimmer jedoch ist deren Ausführung. Die Scharniere und das Plastik sind so einfach gehalten, dass man sie in einem Kleinwagen, jedoch nicht in einer 100.000 Euro Limousine akzeptieren würde.
Zum Abschluss gibt es noch ein Erlebnis aus der Klischee-Kiste. An einer Ampel steht ein von Väth getunter AMG 55 – ein Wagen mit 620 PS – neben mir. Ich kann nicht anders, den muss ich zum Beschleunigungsrennen auffordern, doch per Motorengeräusch geht das nicht. Also gebe ich an der ersten Ampel Gas, bin aus dem Stand 300 Meter weg, bevor er den zweiten Gang eingelegt hat. Die Einladung hat er verstanden. An der nächsten Ampel das gleiche Spiel, wieder lasse ich ihn meine Rücklichter sehen. Mit lautem Motorheulen rast er nach einigen hundert Metern an mir vor – viel zu schnell für die Innenstadt. Ich breche das hier ab und bin mir sicher: Heute Abend sucht jemand im Internet nach “Tesla”, um herauszufinden was seinen 140.000 Euro teuren Wagen hat so langsam aussehen lassen.