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iTV: Die Eroberung des Wohnzimmers

Apple steigt groß ins Fernsehgeschäft ein. Wooooaaaa … müdes Gähnen. Das ist ein altes Gerücht. Doch der amerikanische Analyst Gene Munster von Piper Jaffray heizt es aktuell wieder an. Seine Vermutung unterlegt er mit Umsatzzahlen: Bis zu 2,6 Milliarden Dollar könnte Apple 2012 mit einem Fernseher machen, 7,6 Milliarden wären mit dem rund 2.000 Dollar teuren Gerät bis 2014 möglich.

Keine Ahnung, wie er das berechnet. Gizmodo sagt auch gleich: „eine doofe Idee“. Jobs selbst nennt die bisherige Apple TV Box ein „Hobby“ und schmetterte wortreich eine Zuschauerfrage auf der D8 Konferenz nach TV-Plänen ab. Es fehle die „Go to market“-Strategie. In den USA ist der Fernsehmarkt von regionalen Kabelgesellschaften geprägt, die alle mit subventionierten Set-Top-Boxen arbeiten. Niemand wolle dafür Geld ausgeben, so Jobs.

Doch ein börsennotiertes Unternehmen muss die Fantasie seiner Investoren anregen. Nachdem Apple den Mobilfunkmarkt auf den Kopf gestellt und mit dem iPad dem Segment der Tablets einen Kickstart verpasst hat. Es bei den Rechnern gut läuft und die iPods sich immer noch solide verkaufen, wäre nun die Eroberung des Wohnzimmers an der Reihe. Darum finde ich die Idee eines Apple-Fernsehers ganz hervorragend!

Markenmacht
Natürlich ist die Wettbewerbssituation mit  Sony, Samsung, LG, Sharp und anderen hart. Aber auch Nokia, Motorola und RIM hatten bis zu eineinhalb Dekaden Vorsprung auf dem Handy-Markt. Das hat Apple nicht abgehalten. Zudem hat der Erfolg von iPod und vor allem iPhone den Absatz der Apple-Rechner erst richtig beflügelt. Waren das einst ausschließlich Kisten für Grafiker, Musiker, Filmemacher und sonst wie Kreative, kommt ein iMac oder Macbook heute bei jedermann als Rechenknecht in Frage. Die Zahl der verkauften Macs hat sich von 2006 (5,3 Mio) bis zum Geschäftsjahr 2009 fast verdoppelt (10,39 Mio). Apple ist im Massenmarkt angekommen. Mit dieser Marktmacht und Markenpräsenz sollte das Unternehmen auch bei Unterhaltungselektronik eine führende Rolle übernehmen können.

Alles drin
Wer sich schon mal EPGs (Programmführer), Menüs und Web-Zugänge auf den Geräten der etablierten TV-Hersteller angeschaut hat, wird sich wünschen, dass Apple diesen Markt lieber heute als morgen betritt. Was Menüführung und Bedienoberflächen angeht, kann wohl niemand dem Unternehmen aus Cupertino das Wasser reichen. Auch ist unstrittig, dass in Sachen Design ein Apple-Fernseher State-of-the-Art wäre. Ich rede hier nicht von einer Set-Top-Box à la derzeitigem Apple TV, sondern von einem Flachbildfernseher à la iMac. Sozusagen der All-In-One-Fernseher. Nennen wir ihn der Einfachheit halber iTV. Während sich die etablierten Fernsehhersteller wie ausgehungerte Löwen auf die 3D-Technik stürzen, könnte Apple das Rundum-glücklich-Paket schnüren. Im iTV könnten Fernseher (Kabel, Satellit, DVB-t), DVD-Player, Festplattenrekorder, Foto-Album, Web-Browser, Spielkonsole und Videothek untergebracht sein. Apple verfügt mit iTunes über die führende Vertriebsplattform für digitale Inhalte. TV Serien und Spielfilm werden darüber verkauft und verliehen. Große Medienmarken bieten bereits ihre Inhalte als (Video-)Podcasts in iTunes an. Hinzu kommen die Fotosammlungen bei MobileMe und flickr. Auch YouTube-Videos lassen sich schon jetzt mit Apple TV anschauen. Die Zeit der dreiminütigen Wackelvideos ist dort längst vorbei. Hunderte Internet-Radio-Stationen lassen sich mit Apple TV über die Stereoanlage im Wohnzimmer empfangen. Was fehlt, ist ein Browser und der Zugang zu anderen Inhalteanbietern. Genau das ermöglicht ATV Flash, wenn man die Apple TV Box mit der Software knackt. Dann hat man einen Firefox-Browser und Zugang zu Boxee auf seinem Fernseher.

Apfel statt bunter Buchstaben
Apple müsste keine Angst vor weiteren Inhalte-Anbietern haben. Selbst wem man iTunes in seiner Mediennutzung umgeht und Serien lieber bei einem noch zu gründenden europäischen Ableger von Hulu schaut, wäre man mit iTV immer noch an Apple gebunden und hätte den angebissenen Apfel stets Blick. Es geht um Markenpräsenz. Steve Jobs will ganz bestimmt nicht, dass man auf der Couch sitzt und auf eine Kiste mit sechs farbigen Buchstaben blickt. Schon allein weil Erzrivale Google den Markt der Set-Top-Boxen mit seinem Android-System betritt, dürfte es wahrscheinlich sein, dass Apple mitzieht.

Die Wolke
Ein Großteil der Nutzung von iPhone, iPad und iPod entfällt auf audiovisuelle Inhalte. Da wäre iTV die konsequente Fortsetzung. Zumal sich die genannten Geräte einbinden lassen. Sei es als Fernbedienung des iTVs aber auch als Abspielgeräte. Wer sich einen Film bei iTunes geliehen hat, kann im Wohnzimmer anfangen und wenn er im Zug sitzt, auf dem iPad weiter schauen. Ein Abgleich der gekauften oder geliehenen Medien sowie der nahtlose Übergang von einem Abspielgerät zum anderen wäre ein Nutzer-Traum. Dazu müssten die Daten in der Wolke (Rechenzentrum) liegen und man müsste stets damit verbunden sein. Doch das ist ein anderes Thema…

Dirk Kunde: Dirk Kunde ist Journalist und Autor. Den roten Faden seiner Arbeit bildet die Frage: Wie verändert die Digitalisierung unser Leben? Dabei spielt Mobilität durch Smartphones, Tablets und Apps eine entscheidende Rolle.
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