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Rückbesinnungen oder Rückschritt? Das iPhone SE

Das ist sie nun also, die Small Edition oder wie wir früher sagten, das iPhone 5. Wenige Tage vor dem 40. Geburtstag von Apple am 1. April 2016 stellt das Unternehmen ein iPhone vor, das an ein Smartphone von vor vier Jahren erinnert. 2012 wurde das iPhone 5 vorgestellt. Gut, der Fingerabdrucksensor (Touch ID) kam erst im Jahr darauf mit dem iPhone 5s. Doch optisch wirkt das iPhone SE eben wie ein 5er. Hat da jemand beim Aufräumen im Lager dutzende Kisten mit iPhone 5s-Gehäusen gefunden und ausgerufen: “Hey, die können wir doch noch mal verwenden.” Was für eine Idee! Was treibt Apple? Was treibt Tim Cook zu einem derartigen Rückschritt?

Gefährliche Konfrontation

Das iPhone schrumpft auf bekannte Größe und auch das iPad Pro wird so groß bzw. klein wie die bisherigen iPads (9,7 Zoll). Innovationen? Fehlanzeige! Tim Cook wandelt derzeit auf dünnem Eis. Den Mut für seine öffentlich losgetretene Diskussion über digitale Privatsphäre und die damit einhergehende Konfrontation mit dem FBI kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Schließlich ist das nicht ungefährlich in einem Land, in dem es schnell als unpatriotisch gilt, wenn man sich weigert, Daten aus einem Terroristen-Handy auszulesen. Das könnte ein radikaler und konservativer Bewerber um das Amt des US-Präsidenten schnell für sich nutzen, um Stimmung zu machen. Ich habe da jemanden im Hinterkopf …

Links neu: iPhone SE (2016), rechts alt: iPhone 5 (2012)

Wie spät ist es?

Stolz verkündet Tim Cook, dass derzeit weltweit eine Milliarde Apple Geräte aktiv sind. Doch wie viele davon am Handgelenk als smarte Uhr getragen werden, verrät er nach wie vor nicht. Die Apple Watch ist das erste Produkt, das Tim Cook nicht von seinem Vorgänger Steve Jobs “geerbt” hat. Somit wird er daran gemessen. Google hat seine Datenbrille Google Glas vorerst zurück in die Schublade gelegt. Der Trend der Wearables schein also kein Selbstläufer zu sein. Die Apple Watch entfaltet ihre volle Funktionalität nur im Zusammenspiel mit einem iPhone. Der Kunde muss also zwei Apple-Produkte erwerben und stets bei sich tragen. Gut für Apple, doof für den Kunden. Wie es aussieht, haben sich dazu deutlich weniger Menschen durchringen können, als man in Cupertino erwartet hatte. Anders kann man das Schweigen zu den Zahlen als auch die aktuelle Preissenkung auf 299 Dollar bei der Apple Watch nicht deuten.

Die Statistik dürfte Apples Enttäuschung erklären: Fitbit verkauft mehr. Dabei sind deren Wearables, verglichen mit der Apple Watch, deutlich simpler. (Die Verkaufszahlen sind Analysten-Schätzungen.)

Auto − Abgefahren

Cook geht ein weiteres Wagnis ein. Man darf davon ausgehen, dass Apple an einem (Elektro-)Auto arbeitet. Das Automobil ist das ultimative mobile Gadget. Da wäre der Schritt für Apple nur konsequent. Zwar lassen immer mehr Autohersteller CarPlay in ihren Fahrzeugen zu, doch das kann sich ganz schnell ändern. Der Touchscreen im Armaturenbrett wird zum Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb und ist für das Image des Herstellers inzwischen genauso wichtig wie das Logo auf der Kühlerhaube. Warum sollten die etablierten Hersteller dieses Feld Apple oder Google (Android Auto) überlassen?

Auf der anderen Seite muss man keine jahrzehntelange Erfahrung im Autobau haben, um ein technisch perfektes Auto zu fertigen. Das hat Tesla eindrucksvoll bewiesen. Doch die etablierten Autohersteller werden alles tun, um die Konkurrenz durch Apple, Google und Tesla im Zaum zu halten. Im Massenmarkt der Smartphones mag Samsung Apple das Leben ein wenig schwerer machen. Im Automarkt werden die Alteingesessenen Apple dicke Brocken in den Weg legen. Hinzu kommen regulatorische Zulassungshürden in den einzelnen Ländern, und niemand wird sein Auto im Jahresrhythmus wechseln.

Nicht auf andere schielen

Es wirkt so, als hätte man bei Apple auf die anderen geschielt und nicht viel Erfolg damit gehabt. Die Hersteller der Android-Hardware, allen voran Samsung, Huawei und HTC, haben den Trend zu immer größeren Smartphones losgetreten. Apple hat sich mit der 6er-Serie diesem Druck gebeugt und rudert nun zurück. Android-Geräte gibt es sehr günstig. Das Marktsegment wollte man mit dem farbenfrohen iPhone 5c bedienen. Doch von dem “günstigen” iPhone ist heute keine Rede mehr. Sucht man auf Apples Webseite nach einem iPhone 5c sind die ersten drei Treffer aktuellen Produkten vorbehalten.

Doch warum wählt Apple Speichergrößen von 16 und 64 GB beim aktuellen iPhone SE? Die 16 GB sind doch inzwischen etwas klein und zu 64 GB ist es ein riesiger Sprung. Warum nicht 32 und 64 GB?

Fragen wirft auch die Preispolitik auf, da wird es immer verrückter. Gilt bereits seit Jahren bei Apple der 1:1 Umtauschkurs zwischen Dollar und Euro, langen die Amerikaner nun richtig zu. Sollen die Europäer doch blechen. Ein iPhone SE mit 16 GB und ohne Mobilfunkvertrag kostet in den USA 499 Dollar (aktuell ca. 445 Euro). In Deutschland muss man für das selbe Geräte 589 Euro auf den Tisch legen − 144 Euro mehr. Warum und vor allem mit welcher Begründung?

Der Bodenständige

Der Satz wurde schon häufig gesagt, jedoch noch nicht von jedem: Tim Cook ist kein Visionär wie Steve Jobs. Er ist ein solider Manager, ein Bewahrer. Eben genau so, wie er bei seinen Auftritten wirkt: Bodenständig, sachlich und ohne übergroßes Ego (lässt andere Manager auf die Bühne). Vielleicht ist das auch gut so. Wahrscheinlich rennen ab dem 31. März 2016 wieder die Massen in die Apple Stores und kaufen Millionen iPhone SE. Vermutlich kann es noch Jahre so weiter gehen. Die Skeptiker läuten zwar nach jeder Präsentation die Totenglocke für Apple, doch die Quartalszahlen sprechen jedes Mal eine andere Sprache.

Dirk Kunde: Dirk Kunde ist Journalist und Autor. Den roten Faden seiner Arbeit bildet die Frage: Wie verändert die Digitalisierung unser Leben? Dabei spielt Mobilität durch Smartphones, Tablets und Apps eine entscheidende Rolle.

Kommentare anschauen (3)

  • Kann man alles so unterschreiben, nur eben nicht der teil mit der Preispolitik.
    Amerikanische Preise sind ohne Steuer und der Rest der zum nun höheren Preis führt, ist der immer schlechter stehende Euro zum Dollar.

    • Hannes, aber die Steuerproblematik bestand doch schon immer. Eben auch als die Preise noch 1:1 in Europa umgesetzt wurden. Kunden in Delaware bspw., die online bei Apple bestellen, zahlen interessanterweise keine Sales Tax (das nur als kleiner Tipp am Rande, falls mal jemand eine "Adresse" für nicht physische Online-Bestellungen in den USA benötigt.) Das mit dem Ausgleich des schwächeren Wechselkurses kann man nachvollziehen, findet es als Käufer allerdings trotzdem doof.

  • Innovationen? Fehlanzeige! Genauso ist es!!!
    Wann gibt es endlich eine Multi-User-Funktionalität. Erste Ansätze sind jetzt ja mit der Bildungsapp sichtbar. Wann endlich für alle User?
    Da verzichte ich auch gerne auf "Innovationen" wie Nightshift.
    Und die Preispolitik für Europa ist wirklich ein Frechheit.

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