Einen Fahrbericht über den Tesla S auf dieser Seite in der Rubrik Zubehör zu präsentieren, ist schon etwas vermessen. Handelt es sich doch um ein 100.000 Euro-Elektroauto. Auf der anderen Seite kann man es flapsig als rollendes iPad mit großer Metallhülle bezeichnen. Genau wie beim iPad hält auch die Batterie im Tesla S erstaunlich lange. Zentrales Steuerelement im Fahrzeug ist ein Touchscreen, der das Tablet von Apple allerdings klein aussehen lässt. Für die Entwicklung seiner Elektroautos hat sich das Unternehmen aus dem Silicon Valley unter anderem Leute von Apple geholt. Doug Field, der Leiter des Fahrzeugprogramms, war zuvor als Vice President Hardware für Apple tätig. Seit 2010 baute George Blankenship den Vertrieb auf, er war zuvor in gleicher Funktion bei Apple. Doch hat sich der 60-jährige bereits in den Ruhestand verabschiedet. Franz von Holzhausen, der Fahrzeugdesigner mit dem deutsch klingenden Namen, kommt nicht von Apple. Der Amerikaner arbeitete unter anderem für Mazda, VW und General Motors.
500 Kilometer Reichweite
Bemerkenswert ist die Herangehensweise der Amerikaner an das Zukunftsthema Elektromobilität. Nach dem zweisitzigen Roadster versucht es Tesla jetzt mit einer Limousine in der Oberklasse. Ab 2015 folgt mit dem Tesla X eine Mischung aus SUV und Mini-Van. Die Taktik im Hochpreissegment zu starten, ist eigentlich normal in der Autoindustrie. Innovationen wie Airbags, ABS, Navi und weitere Fahrerassistenzsysteme wurden zuerst in der Oberklasse eingebaut. Umso erstaunlicher, dass sich die europäischen Autohersteller mit Kleinwagen-Modellen wie dem i3 (BMW), dem e-Up (VW) sowie Twizy und Zoe (Renault) dem Thema annehmen. Schließlich ist Reichweite ein wesentliches Erfolgskriterium. Bei den genannten Kleinwagen liegt die zwischen 150 und 200 km, der Tesla S schafft mit einer Batterieladung bis zu 500 Kilometer. Beim kalifornischen Geldadel ist die Limousine längst zum Statussymbol avanciert und auch die Norweger sind ganz verrückt nach dem Auto, das seit Sommer 2013 in Europa verkauft wird. Bereits im September führte der Tesla S die norwegische Zulassungsstatistik an und verdrängte dabei den VW Golf (Benziner). Der staatliche Verzicht auf Steuern und City-Maut dürfte zu diesem Verkaufserfolg beigetragen haben. Die Elektroautos können die Busspur nutzen, frei parken und es gibt etliche kostenlose Ladestationen. In dem Ölförderland werden inzwischen gebrauchte Teslas teurer gehandelt als Neuwagen, weil die Käufer keine fünf Monaten warten möchten.
Doch auch in Deutschland, immerhin Europas größte Volkswirtschaft und Vorreiter bei der erneuerbaren Energie, will Tesla sein Flaggschiff an die Fahrer bringen. Auch wenn bislang der Verzicht auf die Kfz-Steuer der einzige staatliche Anreiz für Elektroautos ist, wollen die Kalifornier rund 200 Fahrzeuge pro Woche absetzen. Das verriet mir Elon Musk in einem Interview, dass ich im Auftrag eines Kundenmagazins mit dem Tesla-CEO im Oktober 2013 in München führte. Nach dem Termin durfte ich in einem Tesla S mitfahren, doch das befriedigte meine journalistische Neugier keineswegs. Im Gegenteil, jetzt war ich erst recht heiß auf die luxuriöse Limousine. Die PR-Verantwortliche in München hatte ein Einsehen und steckte mir ein Leihfahrzeug in den geputzten Stiefel. Am Nikolaus-Wochenende durfte ich für vier Tage einen Tesla S in und um Hamburg ausfahren. Genau an diesem Wochenende fegte Sturmtief Xaver über die Hansestadt, brachte viel Wasser, Wind und Schnee mit. Schlechte Bedingungen für die Foto- und Videoaufnahmen, aber perfekt für meine Testfahrten, denn bei Sonnenschein kann ja jedes Fahrzeug glänzen.
Funkschlüssel in Form eines Tesla S
Schön warm war der Tesla S dank Gebläse und Sitzheizung auf allen fünf Plätzen, denn bei meiner allerersten Fahrt in einem Elektrofahrzeug italienischer Herkunft – ebenfalls im Winter – habe ich bitterlich gefroren. Diese Sorge wurde mir bereits auf den ersten Kilometern genommen, hätte ich mir bei dem Verkaufserfolg in Norwegen aber auch denken können.
Aber fangen wir außen an: Der Tesla S sieht gut aus, kein Zweifel. Doch irgendwie kommt er einem bekannt vor. Wenn statt des T-Logos vorn und hinten der Schriftzug Lexus, Jaguar XF oder Audi-Ringe zu sehen wären, würde das nicht überraschen. Die Form ist sicherlich ein Produkt des Windkanals. Nicht mal Türgriffe sorgen für Luftverwirbelungen, denn die sind versenkt. Die beleuchteten Griffe fahren aus, als ich mich mit dem Schlüssel dem Auto nähere. Der Funkschlüssel hat die Form einer Spielzeugversion des Tesla S. Drückt man auf den Kofferraum, geht der auf. Für die Fronthaube gilt das gleiche. Einmal kurz auf´s Dach drücken und der Wagen wird entriegelt oder wieder verschlossen. Langes drücken öffnet alle Fenster. Bei der Schlüsselform spüre ich ohne hinzuschauen, was ich gerade drücke. Das ist praktisch in der Dunkelheit oder wenn der Schlüssel in meiner Hosentasche steckt.
Die Fensterscheibe senkt sich einige Millimeter, als ich am Türgriff ziehe. Es gibt nämlich keinen Türrahmen, das Fenster schließt mit der Dachleiste ab. Als ich Platz genommen habe, suche ich vergeblich den Start-Knopf. Solange der Schlüssel in der Nähe ist, muss ich nur kurz die Bremse antippen und die Fahrzeugelektronik erwacht. Den Hebel am Lenkrad auf D(rive) stellen und schon geht´s los.
Ach halt, ich kann meine Augen noch nicht den Bildschirmen lösen. Meine Anzeige hinter dem Lenkrad ist ein Monitor und zwischen Fahrer und Beifahrer dominiert ein 23 mal 36 cm großer berührungsempfindlicher Bildschirm. Das Touchscreen ist mit 43,18 cm Diagonale deutlich größer als ein iPad Air (24,63 cm). Damit steuere ich Licht, Klimaanlage, Heizung, Fahrwerkseinstellung und Schiebedach mit Wischbewegungen meines Zeigefingers. Hier kann ich auch unterschiedliche Fahrerprofile anlegen, bei denen Sitzposition, Licht- und Energiepräferenzen sowie Außenspiegeleinstellungen gespeichert werden. Auch das Funksignal des heimischen Garagenöffners kann das System lernen und übernehmen.
Über App-Icons wechsele ich in der oberen Menüleiste zwischen Webbrowser, iPhone-Steuerung (per Bluetooth), Navigation, Energie-Anzeige, HD-Rückfahrkamera sowie Medienwiedergabe, also der Musik von meinem iPhone, UKW- und Digitalradio (DAB) als auch Internetradio über TuneIn. Der Tesla S ist dank einer SIM-Karte stets mit dem Mobilfunknetz verbunden. Bei schlechtem Empfang kann es mit dem Nachladen von Internet-Radiostationen als auch Google Maps-Daten inklusive der aktuellen Verkehrslage etwas dauern. Zu einem WLAN-Hotspot kann der Wagen aber auch Kontakt aufnehmen, beispielsweise an Raststätten oder vor dem eigenen Haus falls ein Software-Update ansteht. Das ist notwendig, denn noch ist die Menüführung nicht komplett auf Deutsch – immerhin werden Entfernungen, Datum und Uhrzeit im europäischen Format angezeigt.
In der unteren Menüleiste sind ständig die Einstellungen für Lüftung bzw. Klimaanlage sowie Lautstärke sichtbar. Zusätzlich habe ich links und rechts am Lenkrad Knöpfe für Telefon sowie Mediensteuerung. Jetzt aber los, ich drücke vorsichtig auf´s Gas und – nichts. Also der Wagen rollt schon, aber ich höre nichts. Sanft gleite ich dahin, außer den Rollgeräuschen der Reifen ist nichts zu hören. Das ist extrem angenehm. Ich kann die Forderung nach Sound-Chips in Elektroautos nicht nachvollziehen. Die Ruhe ist doch herrlich. Klar, für Fußgänger wird es gefährlicher, wenn sie Autos nicht mehr kommen hören. Doch als Bewohner einer Großstadt freue ich mich darauf, wie viel leiser und angenehmer es mit Elektroautos sein könnte.
Bremse kaum gebraucht
Um nicht ständig auf den großen Bildschirm in der Mitte schauen zu müssen, habe ich die wesentlichen Informationen hinter dem Lenkrad im Blick. Links vom Tacho sind das es Richtungsangaben vom Navi, rechts davon sind es wahlweise Telefonbucheinträge oder Musiktitel. Der Tacho ist dreigeteilt: Neben der Geschwindigkeit, sehe ich meinen aktuellen Energieverbrauch in Kilowatt (kW). Sobald ich den Fuß vom Gas – oder besser Strom – nehme, wechselt diese Anzeige in den positiven Bereich, denn beim Verzögern agieren die Räder wie ein Dynamo und speisen Energie in die Batterie. Wie stark dieser Effekt ausfällt, lege ich in meinem Fahrerprofil fest. Dank der Verzögerung muss ich nur selten die Bremse betätigen. Eigentlich nur an Ampeln und bei einer Autobahnausfahrt, auf der ein Mercedes-Fahrer vor mir “kriecht”. Plötzlich spüre ich das Gewicht des Wagens. 2.100 Kilogramm in Bewegung sind schwer zu stoppen, doch die Bremsen reagieren gut. Dank der aktiven Luftfederung und des tiefen Schwerpunkts liegt der Wagen in der engen Ausfahrtkurve wie ein Panzer auf dem Asphalt. Die Lithium-Ionen Batterien sind im Fahrzeugboden verbaut, was für eine gleichmäßige Gewichtsverteilung sorgt. Der Verzicht auf einen Verbrennungsmotor samt Antriebswelle, Katalysator und Auspuff schafft im Inneren viel Platz für Gepäck und Mitfahrer.