In Wiesbaden lacht zu Beginn der dritten Etappe wieder die Sonne, genau wie beim Start in Hamburg. Über die A5 geht es Richtung Süden und wir machen einen kurzen Stopp am Supercharger in Hirschberg, eigentlich nicht nötig, aber es geht ja um die Schnelllader auf der Strecke. Schnell noch einen Kaffee geholt und nachgeschaut: In zehn Minuten hat es mein Testfahrzeug von 147 auf 233 km Reichweite geschafft. 86 km in zehn Minuten – nicht schlecht – die Schnelllader tragen ihren Namen zu Recht. Bis zum nächsten Stopp am Supercharger in Bad Rappenau sind es 63 Kilometer
34.000 Elektrofahrzeuge auf den Straßen
Unsere Route führt vorbei am Hockenheimring und SAP in Walldorf. Von der A5 wechseln wir auf die A6, die auch E50 heißt. Es ist die Europastraße, sie führt vom Atlantik bis zum Kaspischen Meer – einmal quer durch Europa. Wir passieren das Rhein Neckar Stadion, die Heimat des TSG 1899 Hoffenheim, auf der anderen Seite ragt die Nase einer Concorde in die Luft. Das Überschallflugzeug gehört zum Auto- und Technikmuseum Sinsheim. Hier steht auch ein Columbia, ein Elektroauto Baujahr 1904, das angeblich mal John D. Rockefeller gehört haben soll. Elektroautos sind keine Erfindung unserer Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fuhren in den USA 40 Prozent der Autos dampfbetrieben, 38 Prozent elektrisch und nur 22 Prozent mit Benzin. 1912 waren in den USA rund 34.000 Elektrofahrzeug von ca. 20 Herstellern zugelassen. Wie die Geschichte ausging, es bekannt: Rockefeller wurde reich mit der Standard Oil Company. An der Weiterentwicklung von E-Autos hatte er kein Interesse. Zudem dürfte die größere Reichweite der Verbrennungsmotoren im weitläufigen Nordamerika den Ausschlag gegeben haben.
Damit sich Geschichte nicht wiederholt, planen Männer wie Cal Lankton das Ladenetz von Tesla. Auf seiner Visitenkarte steht Director Global EV Infrastructure. Mit seinem Team arbeitet er am weltweiten Supercharger Netz. “Die ersten zehn Stationen waren die schwersten,” sagt Lankton. Die Betreiber der Autohöfe wussten nicht, auf was sie sich da einlassen und was es ihnen bringt, dass sie bis zu acht Parkplätze für Tesla-Fahrer reservieren. Innerhalb eines Jahres entstanden 35 Supercharger-Stationen entlang deutscher Autobahnen. Die Nutzung des Netzwerks ist exponentiell gewachsen. Allein im März 2015 floßen in Europa 1,5 Gigawattstunden Strom durch die Schnelllader. Das entspricht etwas über acht Millionen elektrisch gefahrenen Kilometern und fast einer Million Liter eingespartes Benzin oder über 2.500 Tonnen CO2. Die hiesigen Stromlieferanten DB Energie (Bahn) und MVV Energie aus Mannheim liefern ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen, somit ist auch die Herstellung CO2-frei. Lankton berichtet, dass die Hälfte der Supercharger-Ladungen in Deutschland auf ausländische Fahrzeuge entfällt. Insbesondere in Norwegen ist das Model S dank steuerlicher Anreize extrem beliebt. Viele Norweger fahren in den Sommermonaten durch Deutschland in Richtung Süden. Ein beliebtes Ziel ist die Cote d´Azur, so Lankton.
Der Tesla Model S lädt an jeder Steckdose
Doch muss es nicht immer der Tesla Supercharger sein. Die Schnelllader sind so schnell, weil sie per Gleichstrom Energie in die Batterie leiten. Aber auch jede Haushaltssteckdose mit Wechselstrom funktioniert, so lange der Fahrer den entsprechenden Adapter dabei hat. Allerdings kommen hierbei nur 14 Kilometer pro Ladestunde an Reichweite hinzu. Da muss man schon die ganze Nacht Zeit haben. Für unsere Mittagspause im Landgasthof Hirsch in Neu-Ulm/Finningen reicht das nicht. Der Wirt hat auf dem Parkplatz eine provisorische Ladestation mit IEC 60309-Steckdosen aufgebaut. Die roten Stecker (400 Volt, 16 Ampere) sind umgangssprachlich auch als Starkstrom- oder Drehstromanschlüsse bekannt. Sie liefern pro Ladestunde Energie für 55 zusätzliche Kilometer. Die entsprechenden Adapterkabel verschwinden nach der Benutzung in der Klappe unter dem Kofferraum. Da das Elektroauto keinen Auspuff und keinen Katalysator benötigt, ist unter dem Kofferraum noch Stauraum.
Ein Ladesystem für alle Elektroautos
Wer sich zum ersten Mal mit Elektroautos beschäftigt, wird von der Steckervielfalt abgeschreckt sein. Es ist wie das Durcheinander bei den Anschlüssen von Smartphones, Tablets und anderen mobilen Geräten, wo sich (zwangsweise) der Mini-USB-Anschluss durchgesetzt hat. Die Älteren werden sich an das anfängliche Durcheinander mit Beta Max, Video 2000 und VHS erinnern. Um genau das zu verhindern, hat die Europäische Union die Ladesäulenverordnung erarbeitet, die das deutsche Wirtschaftsministerium nun in deutsches Recht umsetzen muss. Vereinfacht gesagt, soll jeder Elektroautofahrer an jeder Ladesäule mit einem einheitlichen Stecker laden können. Die deutsche Autoindustrie favorisiert den Stecker des Combined Charging Systems (CCS). Aus Kundensicht ist die Vereinheitlichung eine praktische Sache, für Tesla ist es eine zusätzliche Last. Sobald die Verordnung umgesetzt ist, muss der amerikanische Hersteller seine weiteren Ladesäulen mit CCS-Steckern ausstatten. Zusätzlich müsste Tesla ein Abrechnungssystem aufbauen. Schließlich werden die Fahrzeuge der Wettbewerber hier nicht kostenlos laden können. Wir machen vor der Ankunft in München noch einen letzten Ladestopp am Supercharger in Jettingen-Scheppach. Die Ladesäulen stehen direkt unterhalb eines Werbemasts für die klassische Tankstelle. Ganz oben hat sich ein Storch mit seinem Nest eingerichtet und blickt auf das Treiben hinab. Ein TV-Team macht noch ein Interview mit Rekordfahrer Michael Willberg. Der ist mit seinem Tesla Model S im März 4.000 Kilometer innerhalb von 48 Stunden durch Europa gefahren, dann beginnt das letzte Teilstück der Rallye.
Verbesserte Verarbeitung beim Tesla S P85D
Lange Fahrten sind mit dem Elektroauto überhaupt keine Anstrengung. Zum einen sind da die erwähnten Assistenzsysteme, die dem Fahrer nur noch das Lenken überlassen. Zum anderen hat die Version P85D in der Verarbeitung noch mal einen großen Schritt nach vorn gemacht. Die Sitze wurden beispielsweise im Vergleich zum P85 komplett überarbeitet. Auf unserer Tour durch die Republik war das Speichern der Sitzposition sehr hilfreich, da mein Testwagen an den Etappenstationen von diversen Interessenten bewegt wurde. Danach hatte ich mit einem Fingertipp auf meinen Namen die Außenspiegel, den Sitz und das Lenkrad wieder in der gewünschten Position. Nur der Rückspiegel muss manuell eingestellt werden. Was sich viele Fahrer noch beim Model S wünschen: eine Anhängerkupplung, Haltegriffe im Dach, insbesondere beim Aussteigen von den Rücksitzen wären die hilfreich. Was sich nicht verändert hat und ich bereits beim ersten Mal bemängelt habe, ist die Ausführung der Spiegel in der Sonnenblende. Die Abdeckung wirkt billig, lange dürfte sie nicht halten. In dieser Preisklasse erwartet man eine andere Qualität. Außerdem ist der Spiegel nicht beleuchtet.
Hoher Einstiegspreis, geringe Betriebskosten
Preislich beginnt die Allradversion Tesla Model S P85D bei 106.540 Euro. Viel Geld, doch die Vorteile beginnen nach dem Kauf:
- Keine Tankkosten (an den Tesla Superchargern)
- Keine Inspektionen, der Wagen wird nur ins Service Center gerufen, wenn die Software ein Problem meldet
- Weniger Reparaturkosten, da weniger bewegliche Teile. Verschleiß nur an Reifen und Scheibenwischern
- 10 Jahre keine Kfz-Steuer
Ein Besitzer hat seine eigene Wirtschaftslichkeitsrechnung aufgestellt. Danach ist das Model S bei den laufenden Kosten 73 Prozent günstiger als ein Audi A7 3,0 TDI. Für die Fahrt von Hamburg nach München hat der Testwagen 360,9 kWh verbraucht, durchschnittlich 280 Wh pro Kilometer. Gehe ich vom Haushaltspreis für Strom aus (0,28 Euro/kWh) hätten die 1.290,6 km mich 101,05 Euro gekostet. Mit einem Benziner wäre es teurer geworden. Nach einer Runde um das Siegestor in der Münchner Innenstadt, endet die Rallye am Tesla Service Center in Feldkirchen bei München. Das wird von den Mitarbeitern liebevoll die Farm genannt, da das Gebäude früher landwirtschaftlich genutzt wurde.
Fazit der Tesla Supercharger Rallye
Elektromobilität gehört die Zukunft, keine Frage. Aktuell ist Öl und damit Benzin billig, doch das wird sich auf absehbare Zeit ändern. Es geht jedoch nicht nur um die Verbrennung fossiler Rohstoffe, sondern auch um CO2-freien Transport. Der Elektromotor ist die größte Renaissance in 130 Jahren Automobilgeschichte. Als Bertha Benz 1888 mit ihren Söhnen erstmals mit einem Verbrennungsmotor von Mannheim nach Pforzheim fuhr, war sie gerade mal 180 Kilometer unterwegs. Sie musste an Apotheken halten, um nachzutanken – Tankstellen gab es keine. So viel zu den oft gehörten Argumenten die Reichenweite der Elektroautos sei zu gering und das Ladenetz zu löchrig. Das war zu Beginn der Benzin-Ära nicht anders. Der Tesla S wird seit Mitte 2012 produziert, ist hierzulande gerade mal zwei Jahre auf dem Markt. Er schafft realistisch 350 bis 400 Kilometer mit einer Ladung und kann an jeder Haushaltssteckdose oder eben an den Tesla-Schnellladestationen aufgeladen werden. Die 35 Supercharger wurden innerhalb eines Jahres geplant, beantragt, genehmigt und installiert. Tesla ist bislang der einzige Hersteller mit einem eignen Ladenetz. Vor dieser Leistung habe ich großen Respekt. Während beim klassischen Autobau Ingenieursfähigkeiten wie Fahrwerksabstimmung und Motorleistung, Verbrauchsreduktion oder Abgasreinigung die dominierenden Themen waren, ist es beim Elektroauto die Software. Beim Energiemanagement und damit der Reichweite, den Assistenzsystemen und der intelligenten Navigation dreht sich alles um Bits und Bytes. Da haben die Entwickler aus dem Silicon Valley einfach die Nase vorn. Zum ersten Teil der Supercharger Rallye …