Ich kaufe liebend gern online ein, egal ob auf meinem iPhone, iPad oder Laptop. Die Shopping-App von Zalando und Amazon liegen bei mir auf der ersten Bildschirmseite meines iPhones. Warum das so ist, belegt mein jüngstes Erlebnis im Kaufhaus. Ende Januar wollte ich mit Freunden für einen Tag in den Harz zum Skifahren. Als Schönwetterfahrer habe ich meist eine Sonnenbrille auf der Nase, doch für den Wurmberg war dichtes Schneetreiben vorhergesagt. Es musste endlich eine Skibrille her. Für eine Über-Nacht-Bestellung mit Amazon-Prime reichte die Zeit nicht mehr. Also nahm ich mir die Zeit und radelte in Hamburg-Eimsbüttel zu einem Kaufhaus, das in letzter Zeit vor allem durch Insolvenz und Eigentümer-Wechsel Schlagzeilen gemacht hat. Die haben ganz oben unter dem Dach eine Sportabteilung. Frage an den Sportartikelfachverkäufer:
“Wo haben Sie denn Ihre Skibrillen?”
“Skibrillen haben wir nicht“, lautet seine Antwort. Nur damit das klar ist: Ich stehe Ende Januar in einer Sportabteilung. Es ist der Tag vor dem Beginn der offiziellen Winterferien in diesem Bundesland. Wer braucht so ein schlecht sortiertes Kaufhaus?
Höchststrafe: Einkaufsbummel
Szenenwechsel: Ich liege Freitagabend auf dem Sofa. Mit dem Blick auf meine Hose, meint meine Frau: “Du brauchst mal wieder eine neue Jeans.” “Hm, ja“, lautet meine begeisterte Antwort. Doch Samstagvormittag in die Innenstadt zu fahren, ist für mich und viele meiner männlichen Bekannten die absolute Höchststrafe. Ich bin fest davon überzeugt, dass die da eine müde machende Substanz über die Klimaanlage der Läden verbreiten. Also, iPhone oder iPad raus und bestellen. Wenn ich irgendwo in einem Magazin eine tolle Jeans, Jacke, Schuhe oder Anzug sehe, kann ich mit der Fotosuche der Zalando-App nach vergleichbaren Produkten suchen. Die bestelle ich versandkostenfrei, schicke sie auch kostenlos wieder zurück, falls etwas nicht passt oder gefällt. Insgesamt habe ich 100 Tag Zeit für die Rückgabe. Welcher stationäre Händler bietet mir diesen Service?
Wenn ich in der App unter News & Styles über etwas Passendes stolpere, lege ich das auf meinen Wunschzettel. Den kann ich am Desktop oder in der App einsehen. Mein Zalando-Benutzerkonto kann ich auf dem iPhone schnell per Fingerabdruck (Touch ID) öffnen, um Gutscheine einzulösen oder bisherige Bestellung einzusehen. Die Jeans vom letzten Mal saß perfekt, die werde ich wieder bestellen. Sache erledigt.
Preise per Barcode-Scanner vergleichen
Wie habe ich das eigentlich vor der iPhone-Ära Preise verglichen? Bin ich tatsächlich von Laden zu Laden gerannt? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Jetzt bieten mit die Zalando- als auch die Amazon-App einen Barcode-Scanner, mit dem ich unterwegs Preise vergleichen kann. Diese technische Möglichkeit finde ich großartig. Gern begeistere ich auch andere von diesen Vorteilen. Dann gibt es zum Geburtstag eben einen Gutschein von Zalando oder Amazon. Die Beschenkten können sich aussuchen, was ihnen wirklich gefällt und ich bekomme die Gutscheinkarten in fast jedem Supermarkt, Drogerie und den Post-Filialen.
Warum ich hier nur diese beiden Versender nenne? Weil beide gute Beispiele für Online-Händler sind, die anfänglich mit einem Produkt (Schuhe, Bücher) ihre Marke aufgebaut haben, um dann Angebot und Service konsequent zu erweitern. Jetzt kann ich die Kritiker schon hören: Die Arbeitsbedingungen in den Lagern und bei den Paketversendern sind unterirdisch. Ja stimmt, hier ist reichlich Luft nach oben. Das ist nicht weg zu diskutieren.
Ein weiterer Einwand lautet: die Online-Besteller machen unsere Innenstädte kaputt. Das mag auch sein, aber ich will darauf mit einem Zitat aus den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling antworten. Im Kapitel „Das Kettenkarussell“ dichtet er über seine Bahnreise von Stadt zu Stadt:
Durch die Innenstadt zum Bahnhof
vorbei an
H&M und C&A
DM und Nanu-Nana
Mr. Clou, Ditsch, Cinemaxx
O2, Plus, e-plus, Starbucks
Rossmann, Ihr Platz und Aldi
Dunkin’ Donuts und Esprit
Sparkasse, Lidl, Deutsche Bank
Und daneben ein letzter Punk
Le Crobag, Wiener Feinbäcker
McDonald’s, Tchibo, Hertie, Schlecker
rein in den Zug.
Gut, Schlecker können wir inzwischen von der Liste streichen, aber der Punkt ist, alle Fußgängerzonen sehen deutschlandweit identisch aus, nur die Reihenfolge der Filialisten ist unterschiedlich. Und mein Eingangsbeispiel macht deutlich, auf derart schlecht sortierte Kaufhäuser und Läden kann ich gut verzichten. Um die Einkaufsstraßen mit den kleinen, unabhängigen Einzelhändlern ist es schade.
Boykott hielt keine 10 Tage
Ende vergangenen Jahres lief mein Prime-Abo bei Amazon aus. Das wollte ich auch nicht verlängern, aus Protest gegen die Kombination von Versandoption und Video-Streaming. Beides zu bündeln, macht für mich keinen Sinn, vor allem wenn man schon woanders Filme und Serien schaut. Also suchte ich die Drei ???-CDs für den Geburtstag meines Patenkindes im Buchladen gegenüber meines Büros. Leider nichts, da gibt es keine Hörspiele. Also wieder online geschaut. Doch keiner macht es so gut wie Amazon: Einheitliche Preise für alle vier Hörbuch-Folgen, keine Versandkosten mit Prime, und ich bekomme noch die digitale Version der Detektivgeschichten dazu. Damit mache ich nicht nur meinem Patenkind, sondern auch meiner Tochter eine Freude, der ich die Folgen ohne nennenswerten Arbeitsaufwand auf den iPod übertragen kann. Somit hielt mein Amazon Prime-Boykott keine zehn Tage.
Bleibt für mich nur noch ein Problem: Der Paketbote, der nicht klingelt und nur einen Zettel anklebt, weil er keine Lust hat, in die vierte Etage zu laufen.