WePad: Neofonie stellt "iPad-Killer" vor

Montag, 12. April 2010
Helmut Hoffer von Ankershoffen, Chef der Berliner Softwarefirma Neofonie
Helmut Hoffer von Ankershoffen, Chef der Berliner Softwarefirma Neofonie
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WePad, Neofonie GmbH, iPad, Apple, Wunderflunder, Deutschland, Google


Der deutsche "iPad-Killer" zieht seine Maske vom Gesicht: Das WePad soll unsubventioniert im Handel 449 Euro (Version mit 16 GB) und 569 Euro (32 GB) kosten und im Juli/August auf den hiesigen Markt kommen – und damit unter den zu erwartenden Euro-Preisen von Apples "Wunderflunder" bleiben, die bereits Ende April nach Deutschland kommt. Dies gab das Berliner IT-Unternehmen Neofonie am Montag bekannt. Die Technik hinter dem Tablet aus Deutschland stammt vom Münchner Software-Startup 4Tiitoo, die Herstellung übernimmt – ähnlich wie bei Apples iPad – ein Auftragsfertiger in Asien. Neofonie konfiguriert das WePad mit eigenen Programmen zur Darstellung von E-Magazinen sowie Artikel-Suchtechnologie. Laut Neofonie-Chef Helmut Hoffer von Ankershoffen sehe sein Flachcomputer mit Touchscreen vielleicht nicht ganz so sexy aus wie Apples Gerät – sei dagegen aber preiswerter und um Peripheriegeräte erweiterbar, multitasking- und flashfähig, laufe auch übers Mobile-Betriebssystem Android mit Zugriff auf die entsprechenden Google-Apps, verfüge über eine Webcam, Speichersteckplatz und zwei USB-Anschlüsse – und über einen größeren Bildschirm.

Interessanter noch als die Technologiedetails ist für die Medienbranche das Geschäftsmodell, denn das offene Store-Konzept des WePad soll besonders Verlagen eine Alternative zur geschlossenen Apple-Plattform bieten. Dort sind alle Inhalte – Filme, Spiele, Musik, Apps und bald auch Bücher, Zeitungen und Magazine – nur über den iTunes-Shop zu beziehen, zu Apples Bedingungen. Den Verlagen kommt es dagegen darauf an, ihre Leser- und Kundenbeziehungen zu behalten, Preise und Werbung selber steuern zu können und von inhaltlicher Zensur durch Plattformbetreiber verschont zu bleiben.

Die Verlage sollen das WePad mit ihren Inhalten, etwa mit E-Magazinen, bestücken und den Tablet-Rechner dann, auf Wunsch entsprechend gebrandet, an ihre E-Leser vertreiben – als Aboprämie oder anderweitig durch den Verlag subventioniert. Das erinnert an den Mobilfunkvertrieb, wo Netzbetreiber gerne mit günstigen Handys locken. Als erster Verlagspartner hat sich bereits Gruner + Jahr mit einem E-Magazin seines "Stern" präsentiert. G+J hatte Neofonie zudem mit der Entwicklung einer Publishing-Software beauftragt, die digitale Daten aus der Heftproduktion fast automatisch in ein Digitalmagazin umwandelt und um Zusatztools (etwa Suchtechnologie) ergänzt. Diese Produktionssoftware über alle Kanäle - Smartphones, Tablets, PC - will Neofonie auch an andere Verlage verkaufen; G+J partizipiert teilweise an diesen Lizenzumsätzen. Als ersten Nutzungspartner der Software ("WeMagazine") präsentierte von Ankershoffen den Schweizer Ringier-Verlag; weitere Verlage sollen demnächst folgen.

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Das Kalkül von Neofonie und den Verlagen: Jeder Nutzer, der (subventioniert) ein WePad erhält, könnte sich das iPad und damit Apples aus Verlagssicht restriktiven Online-Kiosk sparen. "Der Kontakt zu etablierten Internet-Playern wie Google, Amazon und Apple wird minimiert", so Neofonie. Das klappt allerdings nur, wenn das WePad und sein App-Store bei den Nutzern ähnliche Begehrlichkeiten wecken wie Apples Flachrechner oder zumindest genügend breite Akzeptanz erfährt, ebenso wie alternative, vielleicht von den Verlagen selber betriebene digitale Medienshops inklusive Bezahlsystemen, etwa Bertelsmanns geplanter Online-Kiosk. Von Ankershoffen ruft die Verlage zur Einigung auf: "Wenn sie nicht kooperieren, sind sie gegen ein Schwergewicht wie Apple bei der Verteilung der digitalen Wertschöpfung hoffnungslos unterlegen." Sein Eigennutz: Je mehr die Verlage kooperieren, desto mehr wird sein WePad verbreitet – und die passenden Software-Lizenzen obendrein.

Über den Reader-Teil der WeMagazine-Software, quasi die Benutzer- und Kioskoberfläche des WePad, verdient Neofonie zusätzlich an drei Arten von Provisionen: Zum einen an den Vertriebs- und Werbeerlösen der E-Magazine der Verlage; von Ankershoffen verspricht hier bessere Konditionen als Apple, das 30 Prozent der Umsätze einbehält, nennt aber keine Zahlen. Und zum anderen Provisionen für E-Commerce-Umsätze, zum Beispiel von Web-Shops von Versandhändlern. Hier können auch die Verlage mitverdienen - wenn die jeweiligen Käufe von einem WePad-Gerät aus erfolgen, das sie einst vertrieben hatten.

Auch Telekommunikationsunternehmen (Telkos), die ebenso wie die Verlage, Apple, Google und die Handyhersteller um ihre Rolle im digitalen und mobilen (Medien-) Vertrieb der Zukunft ringen, will Neofonie als Partner gewinnen: Auch die Telkos könnten das WePad gebündelt mit Datenverträgen von ihnen subventioniert vertreiben.

Durch all das wird klar: Die Software und Infrastruktur für Verlage und Nutzer sind der eigentliche Angriff auf Apple - und weniger die Hardware namens WePad, das Neofonie wie bisher über soziale Netzwerke und Guerilla Marketing bekannt machen will. Laut von Ankershoffen gibt's bereits rund 20.000 Vorbestellungen, obwohl das offizielle "Pre-Ordering" erst am 27. April beginnen soll. Formal soll das WePad eine gleichnamige Firma betreiben, ein in Gründung befindliches Joint Venture von Neofonie und 4Tiitoo. Technologiepartner sind unter anderem Intel (Prozessor), Adobe (Software) und Siemens (internationaler Vertrieb und Systemintegration der Verlagssoftware). rp
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